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24.02.2015

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Eigentum verpflichtet

Hessens SPD-Chef mit Buch über Gemeinwohl

cbor. Frankfurt. Ein Experiment auf einer Klassenfahrt: Ein Schüler erhält 140 Euro, die er verwenden darf, wie er will: behalten, aufteilen, verschenken. Niemand aus der Klasse weiß, wer das Geld hat. Alle aber sollen Vorschläge einreichen, was damit geschehen soll. Und am Ende muss der Besitzer begründen, wie er sich entscheidet.

Der Bericht über das Experiment, das es auf einer Kroatien-Reise der Ludwig-Geissler-Schule aus Hanau tatsächlich gegeben hat, ist einer von vierzehn Beiträgen in dem Sammelband „Eigentum verpflichtet“. Herausgegeben hat ihn der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, der das Buch am Sonntag mit Verleger Axel Dielmann vorstellte.

Auch alle anderen Texte des Buches beschäftigen sich mit dem im Titel zitierten Artikel 14 des Grundgesetzes von 1949 — der Festlegung, dass in der Bundesrepublik Eigentum „dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ soll. Derzeit würden viele gesellschaftspolitische Debatten zu einseitig geführt, sagte Schäfer-Gümbel. Bestimmte Weltsichten, die sich in den Achtzigern und Neunzigern entwickelt hätten, würden nicht mehr in Frage gestellt. „Wir sind nicht mutig genug“, meint er. Dass die Bundestagswahl 2013 als Absage an die Verteilungspolitik gesehen und Verteilungsfragen deswegen nur schwer diskutiert werden könnten, halte er für grundfalsch. „Die Verteilungsfrage wird zentral werden.“

In dem Buch widmen sich dieser Frage und anderen Themen rund um das Eigentum auch DGB-Chef Reiner Hoffmann und Christine Hohmann-Dennhardt aus dem Vorstand von Daimler. Die Bosch-Erbin Ise Bosch äußert sich sehr persönlich dazu, welche Erwartungen die Gesellschaft an sie und ihr im wörtlichen Sinne unverdientes Vermögen stelle, und Imre Török, der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, schreibt über geistiges Eigentum und seine Verpflichtungen, etwa mit Blick auf die Vermarktung durch den Online-Händler Amazon.

Diskutiert werde in den Beiträgen, die im Durchschnitt zehn schmale Seiten lang sind, nicht über konkrete politischen Forderungen. Es gehe vielmehr darum, Haltungen zu entwickeln, sagte Schäfer-Gümbel. In der Chefetage von Banken entscheide man im Zweifelsfalle immer schneller als in demokratischen Gremien. Daher reichten Gesetze nicht aus: „Haltung verändert eine Gesellschaft, nicht ein konkreter Steuersatz.“

Er wünsche sich deshalb eine Debatte, die „nicht nur im eigenen politischen Kulturkreis“ stattfinde. Daher ist auch ein Politiker wie der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) dabei, mit dem er sich in Steuerfragen „sicher nicht immer einig“ sei. Wobei es Baum, der in seinem Beitrag die Liberalen dazu auffordert, sich dem Problem der ungleichen Vermögensverteilung zu stellen, allerdings schwer hat, die sozialdemokratische Schlagseite des Bandes auszugleichen. Sechs SPD-Mitglieder sind unter den Autoren, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer eingeschlossen.

Gerne hätten Schäfer-Gümbel und Verleger Dielmann auch einen Vertreter der Privatbanken im Buch gehabt, wie sie sagen. Aber: „Das Kapital ist ein scheues Reh.“ Trotz vieler Anfragen habe am Ende keiner schreiben wollen, sagte Schäfer-Gümbel. Vielleicht ist das etwas für den nächsten Band, zu dem ihn Dielmann noch auf dem Podium überreden wollte.

Vorher aber müssten die Leser erst einmal an den Bücherläden der Stadt empirisch nachweisen, dass das Thema von Interesse sei, sagte Schäfer-Gümbel. Und sei es nur, weil sie wissen wollten, wie das Experiment mit der Schulklasse ausgegangen sei.

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