Im Mai 2001 Prager Buchmesse – und Griechenland-Buchmesse

2001 bringt, durch die freundliche Vermittlung von Dr. Frithjof Hager, Soziologe in Berlin, die Erinnerungen des Star-Dirigenten Claudio Abbado. Der Berliner Soziologe Frithjof Hager hatte den Kontakt hergestellt und das Buch empfohlen, in dem der Nachfolger von Karajan über seine 13 Jahre als Leiter der Berliner Philharmoniker erzählt. Direkt vor dem Fall der Mauer war Abbado nach Berlin berufen worden, erlebte den Umbruch mit – und gestaltete ihn zusammen mit dem Orchester und verschiedenen Spielstätten unterschiedlichster Kunstgattungen mit. Schon immer, schreibt er, und heute mehr denn je, war Berlin ein Sammelbecken verschiedenster Sprachen, Ethnien und Gepflogenheiten, es ist ein Modell dafür, wie Europa sein könnte, falls es uns gelingt, die nationalistischen oder sogar regionalistischen Tendenzen zu überwinden. Und Abbado wird konkret und stellt politische Zusammenhänge her: Epikur hat die Ansicht vertreten, daß Vergnügen und Vernunft, getrennt betrachtet, gleichermaßen fruchtlos seien. In diesem Sinn hat die Kunst der Politik noch viel mitzuteilen.

Die Salzburger Festspiele GmbH wird Sponsor des Bandes, der innerhalb eines Halbjahres seine 2. Auflage erreicht.

Kurz vor der Buchmesse 2001 findet die Rezensionszeitschrift LISTEN ihr neues Zuhause im Verlag. Zur Finanzierung wird wiederum eine kleine Beteiligungsgesellschaft eingerichtet, zur Steigerung der Leserschaft wird an das Konzept der SCHRITTE angeknüpft: LISTEN liegt in den Cafés mehrerer deutscher Städte aus. – Und dann kommt die Buchmesse, die das Schwerpunktthema Griechenland hat.

Die Griechen warten mit literarischen Schönheiten auf, aber sie werden eine harte Prüfung: Schon knapp zwei Jahre vor der Messe hat Evangelia Karamountzou, unsere griechische Praktikantin, die an der Uni Marburg ihre Magisterarbeit schreibt, begonnen, sich nach interessanten Autoren und Büchern in Griechenland umzusehen. Parallel hat Asteris Kutulas zusammen mit seiner Frau Ina die Fühler ausgestreckt. Und so kommt einiges in Schwung – drei 16er-Bändchen konkretisieren sich, eines mit kurzer Prosa von Konstantinos Kavafis über seine Familiengeschichte (Familie Kavafis), ein zweites mit einer Neu-Übersetzung von Jannis Ritsos' Mondscheinsonate und ein drittes mit einem Überraschungs-Lyriker, den man in Deutschland bestenfalls als surrealistischen Maler kennt, Nikos Engonopoulos (Unterhaltungen mit dem Fahrer verboten). Zu zwei ganz großen lebenden Stimmen der griechischen Literatur entstehen Kontakte, nämlich zu Kiki Dimoula, deren lyrisches Œuvre über ein Dutzend Gedichtbände umfaßt, und via Dr. Hagestedt zu Demosthenes Kourtovik, der sowohl als Wissenschaftler und Romancier, wie als Essayist und einer der einflußreichsten Literaturkritiker des Landes tätig ist.

Schon vor der Messe im Juni erscheint ein Bändchen mit Gedichten von Kiki Dimoula in der 16er Reihe, Eine Minute zusammen, als kleine Auswahl aus dem riesigen Werk der Dichterin, die mit allen wesentlichen Literaturpreisen Griechenlands bedacht und geehrt wurde, hierzulande indes völlig unbekannt geblieben war. Gabi Wurster beginnt parallel die Übersetzung von Dimos Kourtoviks Roman Die Nostalgie der Drachen, einem Wissenschaftskrimi, der auf der Quest nach einer entwendeten Mumie quer durch Europa und seine politischen Landschaften führt. Beide Bücher sollen als Hauptwerke-Bände erscheinen.

Der Messestand greift den Kiosk aus dem Vorjahr auf, ein zentraler Großkiosk steht mitten im Verlagsstand. Nestlé und Bitburger sind (Sach-) Sponsoren dieses Standes, und es wurde nach der Messe gemunkelt (besonders durch die Groß- und Dauer-Einkäufe vom lieben Kollegen und Standnachbarn Kramer), es sei mehr Umsatz mit Bier und Schokolade erzielt worden als mit Lizenzen! – Wie auch immer, die Griechenland-Buchmesse wird heikel. Das mächtige Medien-Interesse an Demosthenes Kourtovik bleibt ohne Folgen, da der Autor sich den Journalisten entzieht, TV-Interviews ausschlägt, schließlich eine Reihe vorbereiteter Lesungen absagt und nach Griechenland zurückreist … Die Griechenland-Messe hinterläßt darüber hinaus heftige Spuren im Verlag, da die zugesagten und notwendigen Übersetzungszuschüsse erst in drei Jahren (statt nach Erscheinen der Bücher) und erst nach Intervention des Auswärtigen Amtes von der Griechischen Regierung bezahlt sein werden – da hatte im Landeshaushalt der Flughafen-Neubau zur Olympiade in Athen und diese selbst radikalen Vorrang vor der literarischen Kultur.

Im Frühjahr 2002 würdigt Dr. Lutz Hagestedt in einem Feuilleton den Erzähler und Hörspiel-Autor Karl-Günther Hufnagel – in einem Gespräch erzählt er weiteres von dem Autor, der seit den 60er Jahren in weiten Zeitabständen ein Halbdutzend Romane von »inneren Immigranten« vorlegte. Etliches sei vergriffen. Es entsteht ein Kontakt zu Karl-Günther Hufnagel, und in der Reihe Die Hauptwerke erscheint Geburt eines Dichters im Bürgerkrieg. – Enno Schmidt hat allmählich den gesamten Ganzen Riemen überarbeitet, noch immer fehlen zwar große Teile des eigentlichen Textes, den Johannes Stüttgen neu und um und umschreiben will, auch die Zuordnung und Beschaffung der Abbildungen gestaltet sich als mächtiges Problem bei der redaktionellen Arbeit an dem Beuys-Band, aber die Gespräche mit Enno Schmidt über Kunst und ihre Grundlagen, über die Hervorbringung und Behauptung von Neuem und Ideen gegenüber lange Bestehendem eröffnen Horizonte (und die Erkenntnis: »Es gibt kein Naturrecht auf Kultur«).

Caro Forkel, die seit längerem ein Volontariat im Verlag absolviert und nun einzelne Projekte betreut, entwickelt die Idee, Die Mondscheinsonate von Jannis Ritsos zu dramatisieren. Zusammen mit Mària Ács hatte sie das Schauspielerinnen-Duo Literatwo gegründet, und Literatwo führt im Frühjahr eine dichte Theaterfassung des Langgedichtes um die Liebe einer älteren Frau zu einem jungen Mann auf. Stationen sind das Vorstadttheater in Tübingen, Uni Frankfurt und viele andere der Dichtigkeit von Text und Stück angemessene kleinere Bühnen.

Reclam Leipzig übernimmt Kourtoviks Roman Die Nostalgie der Drachen ins Taschenbuch-Programm. – Claudio Abbados Musik über Berlin geht in die 3. Auflage.

Der Strom und das Wasser / Literarische Funken und Strudel entsteht zusammen mit der OVAG Oberhessische Versorgungs AG. Eine riesige Lesungs- und Diskussions-Serie mit den Vorständen der OVAG und dem Schauspieler-Paar Ronka Nickel und Hans Schwab wird vorbereitet und durchgeführt. Die bisher fetteste Pressemappe türmt sich auf: über 120 Artikel über Buch und Veranstaltungen innerhalb zweier Monate!

Lehrreich und anregend war die Arbeit an diesen Literarischen Funken und Strudeln in verschiedener Hinsicht: Der Siegeszug der elektrischen Energie begann vor 90 Jahren, schrieb der Gießener Anzeiger, im Frühjahr 1912, mit den Vorbereitungen für die Verlegung von Kabeln und dem Bau von Strommasten. 1913 genossen dann 15 Dörfer im Kreis Friedberg die Vorzüge der elektrischen Energie. Der ungewöhnliche Schritt der OVAG, nun ein literarisches Jubiläumswerk herauszugeben, erhielt Unterstützung durch den Frankfurter Axel-Dielmann-Verlag als Partner. Verleger Axel Dielmann las selbst die Anlesetexte zu den einzelnen Buchauszügen vor. Für seine Reihe ETIKETT erarbeitet der Verlag Hand in Hand mit unterschiedlichen, stets renommierten Unternehmen derartige Anthologien zu bestimmten Themenbereichen. In der Strom-und-Wasser-Textsammlung der OVAG finden sich Klassiker wie Joseph von Eichendorff oder Heinrich Heine und es gibt eine Reihe spannender schriftstellerischer Neuentdeckungen wie Kult-Autor Matt Ruff aus New York, der mit einer ungeheuren Fabulierlust ausgestattet ist, oder John von Düffel, der 1999 mit seinem Roman »Vom Wasser« ein fulminantes Debüt feierte.

Die dienstäglichen Boule-Abende sind längst Instanz. Als sich das Frühjahr 2002 rasch in den Sommer verwandelt, schreien die späten Spiel-Abschlüsse nach Erfrischung – ein harter Kern (Martin Bullinger, Thomas Wiederspahn, Alexander Kogge, A. Dielmann) führt das erfrischende Bad im Main unterhalb der Flößer-Brücke ein. Hieraus wird zwei Jahre später die Veranstaltungsreihe »Die Mainschwimmer« ihren Namen beziehen: Lesungen im Main-Pavillon nahe unseres Landungsstegs, wo Andreas Maier, Peter Untucht und Theo Köppen lesen und mit einem hinreißend neugierigen Publikum disputieren werden.

Am 29. Juni 2002 findet das II. Bullinger-Symposion in Rabolshausen statt: Es war schon nach dem zweiten Buch von Martin Bullinger absehbar, daß seine Ästhetik und konzeptionell-erzählerische Strenge kaum Begeisterung bei den Vermittlern zeitgenössischer Literatur, wie sie sich derzeit bietet, erzeugen würde. Nach Erscheinen von schnelle messer hatte es 1999 ein erstes Symposion mit Vorträgen über zeitgemäße Erzähl- und Kunstformen gegeben, allesamt aufgehängt an den Erzähl-Techniken von Bullinger. Nun ein zweites solches Symposion – illustre Runde mit kontroversen Ansätzen und Ausblicken. Und am Ende die Gewißheit, daß systematisch nichts daran zu bewegen sein wird, daß Neuheiten über längere Zeit zunächst in vereinzelten Köpfen ihren Platz haben und schon der Sprung von einem dieser Köpfe in den nächsten schwierige Akrobatik und stures Dranbleiben erfordert.

Im Oktober 2002 erscheint der erste Band einer »Garten-Bibliothek«: eine auf drei Bände geplante Serie mit Literaten im Garten. Band 1 reicht Von Goethe bis Rilke, der Vorstandsvorsitzende von Gardena AG Ulm ist der Herausgeber, Gardena der Sponsor-Partner. – Etliche Lesungen mit verteilten Rollen beginnen, vor allem Karl-Burkhard Haus ist mit von der Partie, im Palmengarten Frankfurt beispielsweise, aber auch zu mehreren wird gelesen, mit Thomas Schwab und Martin Bullinger und an so schönen Orten wie der Werkstatt der Gartenarchitektin Katja Zeller.

Während die Vorbereitungen für Band 2 Von Rilke bis heute anfangen, beschließt Gardena, den Band 1 in einer zweiten großen Auflage zu ordern: Eine Schachtel, in der eine neue Rosenschere zusammen mit dem Buch in den großen Garten-Märkten angeboten werden soll – und so ist die Reihe ETIKETT zu Weihnachten erneut in großer Stückzahl unterwegs und macht Lust auf Neu-Lektüre von Klassikern wie auf Entdeckungen verschollener Autoren. Und hier kann man eines der »Packages« bestaunen.

Ende des Jahres gibt der Verlag die Auslieferung seiner Bücher, die bislang vom Verlag aus direkt an bestellende Buchhandlungen verschickt worden waren, an die Auslieferungsfirma SOVA in Frankfurt ab. Die Zeitschrift LISTEN war hier bereits bei deren Übernahme durch den Verlag ausgeliefert, und die neue Kooperation schafft Zeitkontingente für inhaltliche und konzeptionelle Verlagsarbeit. Und sie professionalisiert die Belieferung mit den entstehenden Büchern.

Hermann, der Roman eines um 1950 Geborenen, der die Nachkriegs-BRD als kleines Kind, das Wirtschaftswunder als Junge erlebt, dann mit den 68ern durch seine Jugend rauscht und in der Folge an der Gestaltung der Gesellschaft seinen Anteil versucht und schließlich zur interessanten Generation der heute Mittfünfziger gehört – der vielleicht einzigen Generation, die ein durchgehendes Arbeitsleben in relativ guter Grundversorgung und ohne (aktive Teilnahme an einem) Krieg erleben durfte.

Sein Autor: Detlef Berentzen, selbst Kind und Promoter der 68er Folgezeit. Er hat Lust auf viele Veranstaltungen, gemeinsam wird ein buntes Treiben an Lesungen und Auftritten angezettelt. Der Erfolg bleibt leider bescheiden. Das Feuilleton hält den Roman für zu realistisch, die Zeitgeist-Redaktionen wollen jüngere Themen, und insgesamt ist noch immer die Darstellung und Hinterfragung von Lebenswegen und ganzen Gesellschafts-Clustern auf den Zustand von Kindheit hin nicht von Interesse.

Die Tournee macht dennoch Spaß, Bielefeld, Frankfurt (im Foto: Buchhandlung Ypsilon), Berlin, Bad Soden und andere Städte. Mit von der Partie ist immer »Hermanns Roller«, der einerseits (im Buch als Vignetten) dem Künstler Joern Schlund aus Münster zu danken ist, als echter Holzroller für Publikumsgeschenke und Requisite von der Firma Lünnemann Holzformat in Recke gesponsort wurde. Dazu gibt es die Tournee-Box mit Süßigkeiten für das geneigte Publikum; denn Hermanns Großvater, der Nachkriegs-Schokoladen-Vertreter, weiß es: Schokolade geht immer! Und ebensowenig darf der echte DUAL-Plattenspieler fehlen, auf dem der Verleger die passenden Songs zu den Lebensaltern des Hermann einspielen darf: Rio Reiser, Pink Floyd ...

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